Von Mitte März bis Ende April 2020 galten in Österreich zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie weit reichende Beschränkungen. Der vorliegende Aufsatz untersucht die empirische Datenlage, die diesen Maßnahmen zu Grunde liegt, und prüft die Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unions- und Verfassungsrecht. Dabei spielen zahlreiche Grundrechte, aber auch das rechtsstaatliche Determinierungsgebot eine Rolle. Manche der von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen waren von Anfang an unions- und verfassungs- bzw gesetzwidrig, andere wurden es mit abnehmender Bedrohung oder durch Ungleichheiten bei der Lockerung. Insbesondere überschritten einige der Beschränkungen den vom Gesetz vorgegebenen Rahmen, das insbesondere Betretungsverbote nur gestattet, soweit dies zur Eindämmung der Pandemie erforderlich ist. Die damit schon im Gesetz angelegte Verhältnismäßigkeit haben einige der Beschränkungen von Anfang an, andere erst dadurch verfehlt, dass sie bei Abnahme der Gefahr nicht (rechtzeitig) zurückgenommen wurden. Der Beitrag wurde verfasst, bevor der VfGH im Juli 2020 erste inhaltliche Erkenntnisse zu den auch hier interessierenden Fragen vorgelegt hat. Er versteht sich nicht primär als Besprechung oder Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen, wenngleich sie (nachträglich) in die vorliegenden Betrachtungen einbezogen wurden.
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- ISSN Online: 1613-7663
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inkl MwStInhalt der Ausgabe
S. 649 - 771, Aufsatz
Ausgewählte unions- und verfassungsrechtliche Fragen der österreichischen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Covid-19-VirusThe Austrian Measures to Contain the Spread of COVID-19: an Analysis of Selected Issues under...
S. 773 - 799, Aufsatz
Alleinvertretung des Islam im staatlichen RechtExclusive Representation of Islam in Austrian Public Law
Im Alevitenerkenntnis (VfSlg 19.240/2010) setzte der VfGH der exklusiven Vertretung des Islam durch eine Religionsgesellschaft enge Grenzen. Knapp ein Jahrzehnt später beschloss die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) 2019 eine Verfassungsänderung, welche eine neue Form der Alleinvertretung verankern sollte. Dies berührt Grundfragen des Rechts der Religionsorganisation mit weitreichenden Implikationen für andere Religionen. Der vorliegende Beitrag geht den Grundlagen und Wurzeln eines derartigen Anspruchs in seinem kultusrechtlichen Kontext nach. Im Ergebnis wird gezeigt, dass eine derartige Alleinvertretung zwar nie vorlag, jedoch vor dem Hintergrund der österreichischen Rechtsentwicklung plausibel erscheinen konnte. Zugleich werden Besonderheiten thematisiert, welche sich aus der zentralen Rolle islamischer Rechtsschulen in der Lehre der IGGÖ ergeben.
S. 801 - 833, Aufsatz
Das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 UN-Charta bei asymmetrischer Kriegsführung im Lichte des Falls SoleimaniThe Right of Self-Defense under Article 51 of the UN Charter in Asymmetric Warfare in Light of the Soleimani Case
Strategien der asymmetrischen und hybriden Kriegsführung beschäftigen seit mehreren Jahren Militär, Politik und Wissenschaft. Die Tötung des iranischen Generals
S. 835 - 855, Aufsatz
Wie unterscheiden sich Alexy und Kelsen? – Über die Bedeutung der Perspektivenwahl in der RechtswissenschaftHow Different are Alexy and Kelsen? – On the Meaning of the Choice of the Perspectives for the Legal Science
Zuletzt stellt sich die Frage, ob die Rechtswissenschaft mit solch einer hypothetischen Perspektive zufrieden sein darf, oder aber – wie von
Die Ansicht von
S. 857 - 884, Aufsatz
Was heißt und zu welchem Ende betreibt man juristische Netzwerkanalyse?What is, and to what End do we Conduct Legal Network Analysis?
In diesem Beitrag stellen wir neue technische Werkzeuge zur empirischen Analyse von Rechtsordnungen vor. Insbesondere zeigen wir, wie mit Hilfe juristischer Netzwerkforschung Zitate in Gerichtsentscheidungen interessante Aufschlüsse über die Einbeziehung von ausländischer Rechtsprechung gewähren können. Wir erläutern den Nutzen dieser Werkzeuge und erklären, weshalb eine derartige Analyse aus rechtswissenschaftlicher Sicht von Relevanz ist. Zugleich stellt dieser Beitrag eine Handlungsanweisung für eine derartige Analyse dar. Als Beispielgrundlage benutzen wir diejenigen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, in welchen ein Verfassungsgericht existiert (inkl dem Europäischen Gerichtshof [EuGH] sowie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR]). Dies erlaubt es uns auf besondere methodische Herausforderungen von normativen aber auch nicht-normativen Beziehungen zwischen Rechtsordnungen einzugehen.
S. 885 - 913, Aufsatz
Die Verfassungsgerichtsbarkeit 1918 bis 2018: Kontinuität – Brüche – KompromisseConstitutional Jurisdiction in Austria from 1918 to 2018: Continuities – Breaks – Compromises
Bei der Untersuchung der Verfassungsgerichtsbarkeit im Zeitraum von 1918–2018 begegnen dem Untersuchenden nicht nur Kontinuität, sondern auch Brüche und Kompromisse. Anhand der Betrachtung der zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit eingerichteten Institution, ihrer Mitglieder und ihrer Judikatur zeigt der vorliegende Beitrag, dass es, neben den im Verfassungsgerichtshof wirkenden Persönlichkeiten, vor allem die Kompromisse sind, die der Verfassungsgerichtsbarkeit im Betrachtungszeitraum so viel Kontinuität bescherten. So besteht etwa seit jeher eine Doppelgleisigkeit des Verwaltungsrechtsschutzes, die dem Verfassungs- wie dem Verwaltungsgerichtshof Kompromisse abverlangt. Die gefundene Balance aber hat der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit über das untersuchte Jahrhundert hinweg Bestand verliehen. Auch bei steigender Arbeitsbelastung hält die Bundesverfassung daran fest, die juristische Expertise insbesondere aus der fortlaufenden beruflichen Tätigkeit der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes zu generieren. Auch dieser Kompromiss sichert der Judikatur des VfGH im Ergebnis Qualität und Anerkennung. Bei aller gesellschaftlichen Umwälzung, die etwa auch zur Entpolitisierung und der Selbstausschaltung des Verfassungsgerichtshofes sowie zum Wandel in der Grundrechtsjudikatur führte, blieb die Verfassungsgerichtsbarkeit aber immer eine Konstante im Staatsgefüge.
S. 915 - 957, Aufsatz
Leading Cases in the European Court of Human Rights’ Jurisprudence 2019
2019 entschied der EGMR zum ersten Mal in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 46(4) EMRK und erstattete sein erstes Gutachten unter Zusatzprotokoll Nr. 16. Die Große Kammer fällte insgesamt vierzehn Urteile. Eines dieser Urteile ging auf eine Staatenbeschwerde zurück und befasste sich mit dem Zuspruch einer gerechten Entschädigung. Betreffend Österreich fällte der EGMR insgesamt nur fünf Urteile. Hervorzuheben ist jenes, welches sich mit den Verpflichtungen von Staaten aus Artikel 2 EMRK im Zusammenhang mit Fällen häuslicher Gewalt befasste.
S. 959 - 999, Aufsatz
Leitentscheidungen der österreichischen Höchstgerichte zur Europäischen Menschenrechtskonvention im Jahr 2019Leading Cases of the Highest Courts of Austria on the European Convention on Human Rights. Report for 2019
Der Beitrag führt die Übersicht über die Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte zur EMRK für das Jahr 2019 fort. Inhaltlich ist das Spektrum der Entscheidungen weit gefächert; der besondere Schwerpunkt auf Fragestellungen, die Art 6 EMRK betreffen, ist beinahe schon traditionell.