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Zur Reichweite einer Vollmacht im Verwaltungsverfahren

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Gemäß § 10 Abs 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht. Hierüber auftretende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Unter „Vollmacht“ ist in diesem Zusammenhang die für das Außenverhältnis allein maßgebliche Erklärung der Partei gegenüber der Behörde, bei schriftlicher Bevollmächtigung also der in der Vollmachtsurkunde festgehaltene Wortlaut der Erklärung des Vollmachtgebers zu verstehen. Diese Parteienerklärung ist nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Entscheidend ist, wie das Erklärte, also der Wortlaut des Anbringens, unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt. Eine solche Auslegung ist nur dann zulässig, wenn die entsprechenden Erklärungen keine Zweifel offen lassen. Eine (auch die Zustellung von Schriftstücken umfassende) Bevollmächtigung bezieht sich nur auf das jeweilige Verfahren, in dem sich der Bevollmächtigte durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen hat, nicht jedoch auch auf andere bei der Behörde bereits anhängige oder anfallende Verfahren.

Aus § 56a Abs 1 GSpG ergibt sich, dass die Behörde, bevor sie vor Ort eine gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügt, den Verfügungsberechtigten zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen des GSpG veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufzufordern hat. Gemäß § 56a Abs 3 leg cit ist über die verfügte Betriebsschließung binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Die Aufforderung zur Einstellung der Glücksspiele ist hingegen nicht in Bescheidform auszusprechen. Eine solche Anordnung hat der eigentlichen Betriebsschließung voranzugehen; sie bildet eine Tatbestandsvoraussetzung für deren Verfügung. Mit der Androhung der Betriebsschließung wird daher das Verwaltungsverfahren „Betriebsschließung“ im Sinn des § 56a Abs 1 GSpG eingeleitet.

Wurde in einem Schreiben die Androhung der Betriebsschließung thematisiert und hat die Partei in Reaktion auf dieses Schreiben einen Vertreter bekanntgegeben, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich diese Bevollmächtigung auch auf die Androhung der Betriebsschließung bezieht. Ein in der Folge erlassener Betriebsschließungsbescheid kann demnach zu Recht dem bekanntgegebenen Vertreter zugestellt werden.

  • WBl-Slg 2016/139
  • VwGH, 30.03.2016, Ra 2016/09/0023
  • § 56a Abs 1 GSpG
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • § 10 Abs 2 AVG

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